Das konservative Frauenmagazin Evie brachte letzte Woche einen Artikel zu einem Thema, das ich auch schon länger mal erwähnen wollte: die auffällige Häufung von psychischer Krankheit bei US-amerikanischen Linken und dort insbesondere den jungen, weißen Frauen.
Der Doktorand Zack Goldberg, den ich hier schon mal mit themenverwandten Erkenntnissen erwähnt habe, hatte letztes Jahr aktuelle Daten von Pew Research zu diesem Thema ausgewertet und Ergebnisse in Grafikform auf Twitter veröffentlicht. Demzufolge wurde bei erschreckenden 56,3 Prozent der weißen linken Frauen im Alter von 18 bis 29 schon einmal ein psychologisches Problem diagnostiziert. Bei den weißen linken Männern waren es 33,6 Prozent. Die entsprechenden Werte im konservativen Lager: 27,3 und 16,3 Prozent.
Diese Auffälligkeit ist bei nichtweißen Gruppen kaum festzustellen. Von weit links stehenden Nichtweißen hatten 19 Prozent bereits eine psychologische Diagnose, bei den Weißen waren es mit 38 Prozent genau doppelt so viele. Im »sehr konservativen« Lager unterschieden sich Weiße und Nichtweiße nicht im Vorkommen psychischer Krankheit, sie lagen mit 14,8 Prozent gleichauf.
Von diesem Phänomen sehen wir anekdotische Evidenz in Form der tragikomischen Meltdown-Videos, die immer wieder die Runde machen, sowie der kaputten Gesichter von Antifa-Aktivisten, die Andy Ngo gelegentlich veröffentlicht. Doch ich stimme Elizabeth Condra von Evie zu, dass es verfehlt ist, darauf nur mit Häme zu reagieren. Eine solche Krise der geistigen Gesundheit einer Generation ist eine Katastrophe.
Wie sind die Zahlen zu deuten? Zuerst einmal kann man nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass sich das Bild in Deutschland oder anderen Ländern genauso darstellen würde. Gewisse ähnliche Grundtendenzen sind aber auch hier zu sehen.
Linke neigen grundsätzlich etwas mehr zu psychischem Leiden und psychischer Krankheit. Im Big-5-Konstrukt der Persönlichkeitsmerkmale haben Linke höhere Werte in Neurotizismus, also mehr Ängste und Zweifel, was zunächst noch nichts Krankhaftes ist, aber psychische Krankheit ein wenig wahrscheinlicher macht. Das erhöhte Leiden an der Welt und die damit verbundene Empfindsamkeit gehören vermutlich zu den Gründen dafür, dass Linke dem Mitgefühl und dem Helfen einen so hohen Stellenwert einräumen. Allerdings ist die Korrelation von linken Einstellungen mit Neurotizismus relativ schwach. Die stärkste unter den Big 5 ist die mit Offenheit für Erfahrung, die zweitstärkste die negative mit Gewissenhaftigkeit. Details dazu hier.
Der Basis-Neurotizismus kann also nur einen kleinen Teil des Unterschieds erklären. Ein anderer Teil geht sicherlich darauf zurück, dass linke Ideologie heute psychische Krankheit gewissermaßen eingebaut hat, so dass sie sie verstärkt oder sogar erst erzeugt. Dies ist der zentrale Zusammenhang, der in »The Coddling of the American Mind« von Jonathan Haidt und Greg Lukianoff und im Konzept der Pseudo-Realität nach James Lindsay hergestellt wird. Ich gehe auch in »Der rassistische Antirassismus« und in dem Text »Psychologische Hebel der Wokeness« im Buch darauf ein.
Die Social-Justice-Ideologie ist antitherapeutisch. Sie macht Opfertum zur Tugend und verteufelt Erfolg. Sie nimmt jedes kleine Leiden und macht es unendlich viel größer, indem sie behauptet, dass es in einem übermächtigen, allumfassenden Unterdrückungssystem wurzele und dass man sich gewissermaßen belüge, wenn man sich nicht klar mache, dass dieses Leiden in Wirklichkeit eine schwerwiegende, tiefgreifende Traumatisierung sei, der man nur durch eine alles umwälzende Revolution entkommen könne.
Was Haidt und Lukianoff »Safetyism« nennen, die relativ neue Mode, Menschen vor jeder Herausforderung, jedem unbequemen Gedanken, jeder Konfrontation mit unangenehmen Realitäten abzuschirmen, bringt intellektuell und psychologisch schwache und intolerante Individuen hervor, denen die Ideologie dann wiederum sagt, dass nicht ihre Schwäche, sondern die Bösartigkeit der Welt das Problem sei. Triggerwarnungen suggerieren, dass überall Traumatisierung drohe, und wirken der Heilung und Überwindung tatsächlicher Traumatisierungen entgegen.
Die beste Veranschaulichung des Zusammenhangs liegt vielleicht in der Entstehungsgeschichte von »The Coddling«. Greg Lukianoff kannte sich mit kognitiver Verhaltenstherapie aus, der Psychotherapieform mit am besten belegter Wirksamkeit, und ihm fiel auf, dass an den Universitäten vielfach das Gegenteil dessen gelehrt wurde, was die kognitive Verhaltenstherapie macht. Statt sich um eine realistische Einschätzung von Problemen zu bemühen und zu lernen, keine zu sehen, wo keine sind, wird alles problematisiert und zur Katastrophe aufgeblasen. Schwäche und Verletzlichkeit werden kultiviert. Social Justice ist Anti-Therapie. Der Satiriker Ryan Long hat das wieder einmal wunderbar veranschaulicht.
Viele Therapeuten sagen dir, wie du dein Leben in Ordnung bringst und was du anders machen könntest, aber sie gehen fast nie darauf ein, was die Welt anders machen könnte. … Wer auch immer du bist, es gibt Dinge, die gegen dich arbeiten. Meine Aufgabe ist es, diese Dinge zu finden und dir zu helfen, deine ganze Identität darauf aufzubauen.
Aber warum trifft das Problem besonders Frauen? Liegt es nur daran, dass Frauen immer im Durchschnitt einen leicht erhöhten Neurotizismus im Vergleich zu Männern haben und dass sich dieser in einer positiven Feedbackschleife mit pathologischer Ideologie hochgeschaukelt hat, oder steckt noch mehr dahinter? Ich habe schon länger den Eindruck, dass Frauen in der radikalen postmodernistischen Linken auffällig stark vertreten sind; im Vergleich zur Rechten ist das sowieso klar. Der Frauenanteil von zeitweise 60 Prozent in der RAF mag ähnliche oder ganz andere Gründe haben. Ich weiß es nicht. Ich habe mir gerade noch einmal »The Coddling« vorgenommen, das ich bisher nur quergelesen habe. Vielleicht finde ich darin noch Antworten. Auf jeden Fall ein extrem unterbelichtetes Thema.
Nachtrag: Leser weisen darauf hin, dass hier eine Selbstselektion der Stichprobe am Werk sein dürfte, dass die Zahlen also auch abbilden, wer mit welcher Wahrscheinlichkeit überhaupt zum Therapeuten geht, so dass etwas diagnostiziert werden kann. Ja, bestimmt ist das ein Faktor. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er den ganzen Effekt erklärt. Erstens muss ein gewisses Leiden tatsächlich gegeben sein, damit man überhaupt zum Therapeuten geht, zweitens bilden sich Weltschmerz und Psychopathologie der jungen Generationen überdeutlich in besagten Ideologien ab.
In den Hochzeiten der sogenannten Jugendsekten (Hare Krischna, Bhagwan, Mun-Sekte, Scientology, Kinder Gottes, VPM u.s.w.) wurde desöfteren verblüfft festgestellt, dass Frauen in solchen Gruppen überproportional stark in hohen Positionen zu finden waren, wenn die jeweilige Gruppenideologie das nicht von vornherein unterband. Und selbst dort, wo Frauen ideologisch geringgeschätzt wurden/werden, wie bei Hare Krischna, waren sie außerordentlich stark als Mitglieder vertreten.
Die Parallele zu politisch-radikalen Gruppen ist auffällig! Auch die trotzkistischen Splittergruppen haben/hatten einen enormen Frauenanteil, die RAF wurde schon genannt und bei den Jusos mit ihrem weichen Rand zu radikalen Gruppen scheint es auch so zu sein (subjektiver Eindruck, müsste man mal prüfen, das wäre interessant).
Eine Gemeinsamkeit ist das Konzept zur Rettung der Welt, das solche Gruppen alle haben, aber ganz sicher auch dieser hochemotionale und polarisierte Blick, die hohe Wertigkeit der inneren sozialen Gruppe. Und meine eigene These: Auch ausdrücklich das Angebot an submissive Wünsche, sich unterzuordnen, Verantwortung abzugeben, Schutz zu erfahren, gleichzeitig aber trotzdem an einer bedeutenden Sache mitzuwirken (aber subjektiv eben ohne verantwortlich zu sein).