Die »Welt« berichtet über »Findom« und das Thema scheint mir eine Frage zu berühren, die von allgemeinerer Bedeutung ist. Wir stellen uns blind gegen Pathologien, die im Zusammenleben sichtbar werden, indem wir sie in eine simplistische liberale Ethik zwingen, in der alles okay ist, was freiwillig zu geschehen scheint. Wobei Letzteres hier noch nicht einmal klar ist.
»Findom« steht für »financial Domination« und ist wohl angelehnt an »Femdom« für »female Domination«. Eine Findom ist so etwas wie eine Domina, die sich über das Internet männliche »Sklaven« hält. Die lassen sich von ihr beschimpfen und finden im Gegenzug irgendwie Befriedigung darin, ihr Geld zu schicken. Anders als bei der klassischen Domina findet das Ganze hier primär virtuell statt. Das Geld ist allerdings echt.
Mir scheint, man kann Dinge wie diese auf zwei grundlegend unterschiedliche Arten wahrnehmen, und zwar abhängig davon, ob man voraussetzt, dass es eine menschliche Natur gibt – oder anders ausgedrückt, wie man sich die menschliche Natur vorstellt. Der Standpunkt »es gibt keine menschliche Natur« wäre ja etwa gleichbedeutend mit »die menschliche Natur ist durch (annähernd) unendliche Wandelbarkeit charakterisiert«. Wenn man meint, dass es eine menschliche Natur gibt, die dem Leben gewisse Formen und Muster vorschreibt, wird man sich des Verdachts nicht erwehren können, dass »Findom« keine gesunde Praxis ist. Auf der anderen Seite kann man den Standpunkt einnehmen, jede denkbare Praxis sei so gut wie jede andere, solange es selbstbestimmte Erwachsene seien, die sich dafür entscheiden.
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