Ich hatte die Ehre, einen Text zu dem Sammelband »Probleme des Antirassismus: Postkoloniale Studien, Critical Whiteness und Intersektionalitätsforschung in der Kritik« beizutragen, der im November erscheint, herausgegeben von Ingo Elbe, Robin Forstenhäusler, Katrin Henkelmann, Jan Rickermann, Hagen Schneider und Andreas Stahl. Mein Beitrag heißt »Vorurteil plus Macht? Zur Inkohärenz des systemischen Rassismusbegriffs«.
Die Idee der Herausgeber war, dass ich meine Kritik am »antirassistischen« Rassismusbegriff, in dessen Verständnis nur weiße Menschen rassistisch sein können (siehe etwa hier und hier) noch einmal für den akademischen Kontext formuliere. Bei der Ausarbeitung habe ich die Probleme dieses Begriffs noch einmal auf einer tieferen Ebene zu fassen bekommen, wie ich glaube. Er ist demnach nicht nur extrem unpraktisch, sondern inkohärent.
Die Inkohärenz besteht darin, dass der auf diesem Begriff fußende »Antirassismus« auf der einen Seite seine gesellschaftliche Gültigkeit und Autorität aus der Annahme bezieht, dass er in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch in Rassismus einen Verstoß gegen das allgemeine moralische Verbot sieht, Menschen aufgrund ihrer Ethnizität zu entmenschlichen, auf der anderen Seite aber solche Verstöße nur bei einer bestimmten Täter-Opfer-Konstellation erkennen will.
Etwa so, als würde man sagen: Diebstahl ist eigenmächtige Aneignung fremden Eigentums, aber nur wenn Brillenträger das machen, ist es Diebstahl.
Ein Auszug:
Aufgrund der Größenordnung rassistischer Verbrechen in der Vergangenheit hat Rassismus in unserer Wahrnehmung einen besonderen Stellenwert. Doch was die betreffenden Vorgänge als Verbrechen ausweist, ist nicht ihre Größenordnung, sondern der Verstoß gegen die allgemeinere Regel, Menschen nicht aus schlechten, illegitimen Gründen ihren Personenstatus, ihre Würde oder ihre Rechte streitig zu machen, und was sie als rassistisch ausweist, ist der Umstand, dass hier die Ethnizität diesen schlechten, illegitimen Grund bildet.
An diesem Begriffskern müssen auch die Antirassisten festhalten, wenn sie nicht vollends in eine Privatsprache mit unklarer Relevanz für die öffentliche Diskussion abgleiten wollen. Doch während sie das auf der einen Seite tun, fordern sie auf der anderen, die universelle Regel, gegen die Rassismus einen Verstoß darstellt, nur noch auf den Spezialfall anzuwenden, in dem Rassismus von Weißen ausgeht und Nichtweiße trifft. Dieser Standpunkt ist selbstwidersprüchlich, da er wesentliche Teile seiner eigenen Grundlage bestreitet. Seine Logik ist unmöglich wie die bekannten surrealen Treppenbilder von M. C. Escher. Was wäre seine Antwort auf die Frage, gegen welche allgemeine Regel die Weißen mit ihrem Rassismus verstoßen? Jede Antwort, die nicht zirkulär und deshalb inhaltsleer wäre, ließe die Widersprüchlichkeit des Standpunkts erkennen.