Die Schreckenstat von Hanau hat den Riss durch die Bevölkerung vertieft, den Hass der Ränder aufeinander verstärkt und uns alle noch einmal nervöser gemacht. Wie bei jedem Amoklauf liegt die größte Tragik in der sinnlosen Brachialgewalt, die scheinbar aus dem Nichts heraus in das Alltagsleben Unschuldiger hereinbricht und sie in den Tod reißt. Zuerst gilt es dann um die Opfer zu trauern, die Hinterbliebenen gut zu versorgen und sich auf Achtsamkeit zu besinnen – nicht im Sinne von Überwachung, sondern im Sinne gelebter Mitmenschlichkeit im Alltag. Soziale Kälte, Isolation und Ignoranz machen solche Taten möglich. Eine deutliche Regelmäßigkeit bei Amokläufen ist, dass sie sich ankündigen. Die Bereitschaft zu einer solchen Tat ist nicht einfach da, sondern entwickelt sich über einen langen Zeitraum. Meistens kommunizieren die späteren Täter mehrfach, dass sie auf einem dunklen Weg sind. Es gibt keine einfachen Antworten, aber das Wegsehen anderer gehört auffallend oft zu den Voraussetzungen solcher Taten.
Es ist allerdings auch unvermeidlich und notwendig, nach den größeren politischen Implikationen außeralltäglicher Gewaltausbrüche zu fragen. Die Opfer ernstzunehmen heißt auch, zu versuchen, ähnliche Gewaltausbrüche in Zukunft nach Möglichkeit zu verhindern. Es ist also nicht falsch, nach der politischen Bedeutung von Hanau zu fragen. Dennoch ist es tragisch, wie sehr hierbei alles dem vorhersehbaren Muster folgt. Die Tragik der unmittelbaren Destruktivität der Tat kann sich noch vervielfachen, wenn diese gesellschaftliche Entwicklungen anstößt oder verschärft, die weitere blutige »Verwerfungen« (Y. Mounk) wahrscheinlicher machen, bis hin zur Destabilisierung des gesamten Systems. Es ist im Kern die Tragik von Blutfehden, bei denen Menschen auf Leid und Tod mit der Schaffung von immer mehr Leid und Tod reagieren, hier allerdings in höherer Größenordnung und auf höherem Komplexitätsniveau.
Es war absehbar, dass es irgendwann wieder eine rechte Gewalttat geben würde, ebenso wie absehbar war und ist, dass es irgendwann wieder eine islamistische oder anderweitig auffällige Gewalttat von Zuwanderern geben würde. Dies ist im Sinn des oben Gesagten kein Kleinreden, sondern ein Hinweis auf die wichtige Überlegung, was wir tun können, damit sich in Folge solcher Gewalttaten nicht immer mehr gesellschaftliche Destruktivkräfte aufstauen. Den bereits identifizierten Feind noch heftiger bekämpfen zu wollen ist emotional naheliegend und nachvollziehbar, aber ob es dem sozialen Frieden dient, ist fraglich. Wenn man ihn nicht in absehbarer Zeit besiegen kann, bedeutet das Vorhaben zunächst nur einen längeren und intensivierten Krieg.
Der Streit um die Deutungshoheit
Rechte Gewalttaten und solche von Zuwanderern – das ist eine schräge Gegenüberstellung. Rechte sind ein politisches Lager, Zuwanderer nicht. Die Gegenüberstellung ist jedoch dadurch gerechtfertigt, dass diese beiden Kategorien von Gewalttaten diejenigen sind, die einen zentralen gesellschaftlichen Konflikt eskalieren lassen, weil sie als Bestätigung einer von zwei konkurrierenden Deutungen der politisch-kulturellen Großlage gelesen werden können – und werden -, die heute maßgeblich die politische Landschaft prägen.
Vieles hängt davon ab, welche dieser Deutungen als gültig anerkannt wird. Weitreichende und folgenschwere politische Entscheidungen hängen davon ab. Der ganze Selbstentwurf und das handlungsleitende Selbstideal unserer Kultur hängen davon ab. Auf der persönlichen Ebene unzähliger Menschen hängt davon ab, wer Blut an den Händen hat und wer nicht; wer schon immer recht hatte und wer im Gegenteil seit Jahren einem Phantom hinterherrennt, wer Lebenslügen bekämpft und wer sie verteidigt, wer ein Held ist und wer ein Schurke, wer ein Heiliger und wer ein Teufel, wer ein Philosoph und wer ein Narr.
Nicht zuletzt an diesen tiefgreifenden Implikationen liegt es, dass niemals eine der Deutungen von allen als gültig anerkannt werden wird – es steht zu viel auf dem Spiel. Von manchen Überzeugungen kann man sich schlechterdings nicht lösen. Aber eine der Deutungen kann vorherrschend sein oder werden, und das ist folgenreich genug, um den Anhängern der anderen Angst zu machen. Es bedeutet für sie die Ausrichtung gesellschaftlich relevanter Entscheidungen an Lügen und Irrtümern, mit unvermeidlich destruktiven Folgen, deren Fluchtpunkt soziales Chaos ist. Das Chaos ist eine Urangst, die wir alle teilen. Dies völlig zu Recht, denn die relative Ruhe und Sicherheit unserer Existenz beruht auf der routinisierten Abstimmung unseres individuellen Lebens auf die gegebenen sozialen Strukturen. Wenn diese zusammenbrechen, wissen wir nicht mehr, wo wir sind, verlieren die Kontrolle und müssen mit allem rechnen – was unmöglich ist.
Vielleicht kommt in Krisensituationen auch ein Instinkt ins Spiel, der uns treibt, einen Feind zu identifizieren. Es wäre mit Blick auf die Evolution plausibel, dass dies geschieht, wenn die Szenerie von Gewalt und Konflikt geprägt ist. Es steckt viel mehr Energie in Deutungen wie »die Rechten sind schuld« und »die Linken sind schuld« als in solchen wie »wir müssen psychisch Kranke besser versorgen und Waffenbesitzer sorgfältiger prüfen«. Für Deutungen wie letztere lässt sich keine große Leidenschaft entwickeln – außer, wenn man wiederum einen Feind benennen kann, der solche Schritte bisher verhindert.
Gewalttaten von Rechten auf der einen und von Islamisten oder Migranten auf der anderen Seite sind in diesem Sinn hochgradig signifikant. Eine Gewalttat von Rechten bestätigt Linke in ihrer Theorie, dass das Böse von rechts kommt. Eine Gewalttat eines Islamisten bestätigt die Rechten in ihrer Theorie, dass das Böse von den Konflikten des Multikulturalismus und von links kommt. (Natürlich vereinfache ich hier und zeichne nur die groben Grundlinien nach.) Die jeweils anderen sprechen der Tat diese Aussagekraft ab und versuchen ihrer Explosivkraft sozusagen die Luft herauszulassen: Er war geistig gestört und die Behörden haben versagt. Einzelne Gewalttaten gibt es immer und in allen Gruppen. Viel mehr Menschen sterben im Straßenverkehr. Sich auf diesen Fall zu fokussieren erzeugt ein verzerrtes Bild. Man darf das jetzt nicht instrumentalisieren. Wir müssen jetzt gelassen bleiben. Diese Gegenstimmen verwandeln die Tat tendenziell in ein Geschehen auf der Ebene von Unfällen und Krankheiten – etwas, das eben passieren kann, das man auch zu verhindern versuchen sollte, das aber die Gültigkeit gewählter Realitätsdeutungen und eingeschlagener Richtungen nicht in Frage stellt.
»Instrumentalisierung« versus Überzeugung
Man kann den Menschen diese Reaktionen nicht grundsätzlich verübeln. Sie glauben zu wissen, woher das Böse kommt, und versuchen diesem Wissen Gehör zu verschaffen. Das sollen sie auch, das ist richtig so. Der Vorwurf der »Instrumentalisierung« mag unmittelbar einleuchten – je nachdem, auf welcher Seite man steht -, ist aber bei näherer Betrachtung oft unsinnig. Das wiederum leuchtet unmittelbar ein, sobald man sich auf der anderen Seite findet. Rechte »instrumentalisieren« islamistische Terroranschläge nicht, wenn sie sie als Teil der Gefahren und Konflikte deuten, die der Multikulturalismus mit sich bringt, denn sie sehen sie wirklich als solche. Es ist kein Ausnutzen für sachfremde Zwecke, sondern eine Artikulation eines dauerhaft vertretenen und in sich völlig konsistenten Anliegens im Kontext eines aktuellen Falles. Ebenso »instrumentalisieren« die Grünen eine Sommerdürre nicht, wenn sie sie als Ausdruck des Klimawandels interpretieren. Sie zeigen auf ein aktuelles Problem und sagen: »wir haben eine Theorie zu diesem Problem und bieten folgende Lösungen an«. Das ist richtig so, das ist ihre Aufgabe als Partei und im weiteren Sinn auch einfach als verantwortungsvolle Bürger.
Daher ist es nicht gerechtfertigt, wenn immer die Seite, in deren Theorie ein aktuelles Ereignis gerade nicht passt, der anderen vorwirft, überhaupt den Bogen zur Politik zu spannen; es gehe doch jetzt darum, zu trauern oder abzuwarten, bis alle Fakten vorliegen usw. In der Regel ist von diesem Vorrang des Trauerns und Abwartens nicht mehr die Rede, wenn sie selbst diejenigen sind, in deren Theorie das Ereignis passt. Und wie gesagt, es ist auch normal und richtig, dass sich Menschen nach außergewöhnlichen Gewalttaten und Katastrophen Gedanken darüber machen, wie solche in Zukunft zu verhindern wären. Es wäre grob fahrlässig, das nicht zu tun. Wer solches Nachdenken nicht haben will, hat im Grunde schon die Deutung vorweggenommen, dass solche Ereignisse einfach zum gesellschaftlichen Hintergrundrauschen gehörten, in dessen Rahmen auch abgearbeitet würden (von Polizei, Staatsanwaltschaften usw.) und nicht zu verhindern seien. Man muss der anderen Seite zugestehen, diesbezüglich anderer Ansicht zu sein.
»Instrumentalisierung« wäre dann ein berechtigter Vorwurf, wenn evident ist, dass Akteure den Verweis auf das betreffende Ereignis wider besseres Wissen als politischen Hebel einsetzen. Wenn jemand also zum Beispiel insgeheim dächte, die Tat von Hanau habe nichts mit der AfD zu tun, aber trotzdem der AfD die Schuld gäbe, um ihr zu schaden bzw. anderen Parteien zu helfen. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass jemand dies tut. Doch es würde viel Skrupellosigkeit erfordern und es wäre etwas, das man von außen ohne Gedankenlesen schwer feststellen kann.
Sicherlich tauchen bei den kühleren Köpfen unter den Politstrategen Gedanken auf wie der, was eine Gewalttat für bevorstehende Wahlen bedeutet, und sie werden entsprechende Kommunikationsstrategien empfehlen. Doch wenn diese Strategen an ihre Sache glauben, ist selbst das nicht »Instrumentalisierung« in dem Sinn, in dem das Wort üblicherweise als Vorwurf gebraucht wird. Sie nutzen ein Gewaltereignis vielleicht zu ihrem Vorteil bei Wahlen, aber sie glauben dabei, dass ein gutes Wahlergebnis für ihren Kandidaten tatsächlich helfen wird, solche Gewaltereignisse künftig nicht mehr vorkommen zu lassen. Wenn sie das glauben, setzen sie das Ereignis nicht für sachfremde Zwecke ein.
Es ist immer die im Sinne von Ockhams Rasiermesser sparsamere und psychologisch plausiblere Annahme, dass Menschen an das glauben, was sie sagen und tun. Das ist zentraler Bestandteil der Einstellungsforschung sowie der Theorie der kognitiven Dissonanz. Wenn ich durch soziale Zwänge und Opportunität in eine Situation gerate, in der ich X tun muss, um voranzukommen, werde ich es wahrscheinlich tun und dabei lernen, zu glauben, dass X zu tun gerechtfertigt ist, sofern nicht etwas Gewichtiges dagegenspricht. Es auf Dauer zu tun, während man es für falsch hält, das hält kaum ein Mensch aus. Die, denen die Dissonanzreduktion durch Anpassung der Einstellung nicht »gelingt«, sind die Whistleblower, Dissidenten und Deserteure. Sie sind seltene Ausnahmen.
So scheint es mir auch beim Blick auf die Reaktionen nach Hanau am ehesten plausibel, dass sich der überwältigende Großteil der Linken einer klaren Kausalität zwischen AfD und Hanau tatsächlich sicher ist und insofern nichts »instrumentalisiert«. Ebensowenig ist es Heuchelei, wenn man auf der rechten Seite des Spektrums diese Kausalität nicht sieht.
Beide Seiten legen eine ins Negative verzerrte Wahrnehmung der Gegenseite an den Tag. Die Rechten glauben, die Linken würden pietätlos und wider besseres Wissen den Amoklauf zur Diskreditierung ihres politischen Gegners und somit zur eigenen Machtsicherung nutzen. Die Linken ihrerseits glauben, die Rechten wüssten, dass sie den Täter von Hanau aufgehetzt haben bzw. schätzten das auch so ein. Wenn sie also die Verantwortung von sich wiesen, würden sie den Glauben an die eigene Unschuld nur heucheln.
Ich halte beide Annahmen für falsch und damit beide Seiten nicht für so verlogen, wie die jeweilige Gegenseite sie sieht. Es ist aber fraglich, ob das so gut ist, wie es klingen mag. Denn wenn beide Seiten in dieser Hinsicht nicht taktieren und heucheln, sondern im Wesentlichen glauben, was sie sagen, dann verweist das auf eine tiefe kommunikative Kluft zwischen ihnen, eine große Unfähigkeit, einander zu verstehen, die sich in einer eskalierenden Feindschaft und Dämonisierung der Gegenseite niederschlägt. Und solange diese Unfähigkeit andauert, ist schwer zu sehen, wie man der Eskalationsspirale entkommen und den verlorenen sozialen Frieden wiederherstellen könnte.
Zwei Filme auf einer Leinwand
Ich greife im Folgenden auf eine Idee des Cartoonzeichners, Buchautors und Politkommentators Scott Adams zurück, um ein Licht auf diese kommunikative Kluft zu werfen. Adams beschreibt die politische Polarisierung um Donald Trump gelegentlich mit der Formel »zwei Filme auf einer Leinwand«. Die beiden Lager blicken auf dasselbe Geschehen, sehen aber völlig unterschiedliche Ereignisabläufe. Die Rechten sehen einen auf unterhaltsame Weise großmäuligen Quereinsteiger, der zugleich ein erfahrener Manager und gewiefter Taktierer ist und erfrischend unbesorgt um politische Korrektheit eine pragmatische und effektive Politik für das Wohl des Landes macht. Die Linken sehen einen amerikanischen Hitler voller Hass und Zerstörungswut, der den sozialen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte zunichte macht. Dank selektiver Wahrnehmung können beide Seiten erdrückende Mengen von Beweisen für ihre Sicht anhäufen.
Und wie bei der AfD ist hier nicht das größte Problem, dass einige Menschen Trump hassen, sondern dass die Hälften der Bevölkerung einander hassen, weil sie meinen, die anderen sähen denselben Film. Dies würde bedeuten, dass sie bösartig sind – warum sollten sie sonst einen amerikanischen Hitler voller Hass und Zerstörungswut unterstützen? Sie sehen aber nicht denselben Film. Sie sehen einen anderen Film auf derselben Leinwand.
Welche zwei Filme laufen auf unserer Leinwand?
Im ersten Film hat Deutschland schon seit Jahrzehnten relativ viel Zuwanderung erlebt. Die Mehrheit der Zuwanderer sind anständige Leute und viele fügen sich sehr gut ein, manche aber auch weniger gut. Es haben sich Parallelgesellschaften gebildet. Die vielen Menschen aus einander unbekannten Kulturen bedeuten einen Verlust sozialen Zusammenhalts und kultureller Identität. Auch manifeste Konflikte und Dysfunktionalitäten gehen damit einher; Kriminalität, Feindseligkeiten, Gewalt, ewige Sozialfälle. Manche Einwanderergruppen empfinden größere Loyalität zu fremden Staaten und Religionen als zu diesem Land; sie würden, wenn sie vor der Wahl stünden, eher gegen als für dieses Land kämpfen, das ihnen gegenüber sehr großzügig ist.
Obwohl nie eine Lösung dieser Probleme mit der Zuwanderung in Sicht war, setzte sich der Zustrom Jahr für Jahr fort, bis 2015 die große Flüchtlingswelle kam. Aus Überforderung, Opportunismus, Idealismus oder welchem Grund auch immer hat Merkels Regierung die Grenzen geöffnet und mehr als eine Million Migranten eingelassen – ohne einen Plan zu haben, was mit diesen geschehen soll, und ohne in irgendeiner Form die Bevölkerung zu fragen, ob sie eine derart schlagartige Masseneinwanderung wünscht und mit ihrer täglichen Arbeit finanzieren will. Erwartungsgemäß häuften sich nun die Probleme der Migration und des Multikulturalismus, die es schon vorher gegeben hatte: Von kulturfremden jungen Männern ausgehende Gewalt, eine massive Belastung des Sozialstaats, Verluste sozialen Vertrauens, kultureller Identität und öffentlicher Sicherheit, Vergewaltigungen, Morde und Terroranschläge. Derweil spricht die Demographie eine eindeutige Sprache. Die Einheimischen werden zur Minderheit im eigenen Land, wenn aktuelle Trends anhalten. Und die, die sich als 5‑Prozent-Minderheit nicht assimiliert haben, dürften nicht damit anfangen, wenn sie 30 oder 50 Prozent sind.
Während sich all das vollzieht, ist es praktisch unmöglich, diese Entwicklung und die damit verbundenen Kosten, Schäden und Risiken nüchtern und realitätsnah zu diskutieren. Die Flüchtlingswelle wurde von einer medial enthusiastisch gefeierten »Willkommenskultur« begleitet, die teilweise als neurotische Überkompensation des Bewusstseins historischer Schuld erkennbar war. Dies trug dazu bei, dass Kritiker einer permissiven Migrationspolitik schnell als »Rassisten« und »Nazis« stigmatisiert wurden, womit die Kritik ungehört blieb und viele weitere potenzielle Kritiker abgeschreckt wurden. Dennoch war der öffentliche Druck, war das Bedürfnis nach einer Artikulation der Kritik und des Protests groß genug, um die AfD im Parteiensystem zu etablieren. Sie stellt sich als einzige Partei dem progressiven Programm des Aufgehens der Nationen und ihrer Identitäten und Kulturen in einer multikulturellen Weltgesellschaft entgegen und wird dafür von den übrigen Parteien, den linken Mainstreammedien und dem ebenfalls linken Kultur- und Wissenschaftsbetrieb aufs Schärfste bekämpft.
Am 19. Februar 2020 hat ein geistig schwer gestörter Einzelgänger in Hanau einen schrecklichen Amoklauf verübt. Er hinterließ ein Manifest, in dem er auf 24 Seiten Zeugnis seiner paranoiden Wahnvorstellungen ablegte, die wie wild gemischte Versatzstücke aus Agenten- und Science-Fiction-Filmen klingen. Teile seiner Gedankengänge offenbarten einen extremen Rassismus bis hin zu Völkermordfantasien. Nun wird der AfD angelastet, sie habe ihn aufgestachelt. Die rassistischen Gedankengänge im Manifest ähneln jedoch in keiner Weise der Programmatik oder Begrifflichkeit der AfD, geschweige denn, dass diese Erwähnung fände. Die Idee, dass es zu viel (muslimische) Zuwanderung gebe, kann der Täter überall aufgeschnappt haben – nicht zuletzt im konflikthaften Klima der multikulturellen Gesellschaft selbst. So oder so ist seine Tat Teil dieser Konflikte. Wie üblich nutzt die Linke die grausame Tat nun aber aus, um die Opposition zu bekämpfen und jede Migrationskritik, wenn nicht gar jeden Konservatismus unmöglich zu machen. Wie üblich tut sie nichts gegen die Probleme, umso mehr aber gegen die, die es wagen, darüber zu sprechen.
Der andere Film:
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Entnazifizierung haben Nazis und Rechtsextreme glücklicherweise eher ein Schattendasein in der deutschen Politiklandschaft geführt. Sie sind aber nie ganz verschwunden. Ihr Gedankengut ist in kulturellen Zeugnissen wie Büchern festgehalten und wurzelt in der rassistischen Grundstruktur der Gesellschaft. Es kann immer wieder wuchern, wenn ein Sündenbock für gesellschaftliche Probleme her muss, und dann breitet es sich aus wie ein Virus, da es einfache Antworten enthält, die verführerisch sind. Dieses Denken lässt sich daher nicht so einfach ausrotten. Aber es war immerhin für einige Jahrzehnte eingedämmt, mit Hilfe des Wohlstands, des Grundgesetzes, eines breiten Konsenses gegen rechts, entsprechender Bemühungen im Schul- und Bildungssystem, einer regen Erinnerungskultur und gelegentlich auch der »Handarbeit« der Antifa.
Die Aufnahme einer höheren Zahl Geflüchteter in den Jahren seit 2015 hat bei einigen dafür anfälligen Menschen rassistische Ängste und Ressentiments geweckt und so rechte Umtriebe wieder aufleben lassen. Diese Menschen sehen nicht oder wollen nicht wahrhaben, welches Elend sich in Afrika und auf dem Mittelmeer abspielt und dass wir als reiches Land eine klare Pflicht haben, zu helfen, insbesondere vor dem Hintergrund unserer Geschichte. Ihnen fehlt die Vorstellungskraft oder die Empathie dafür, und sie haben sich einreden lassen, dass die Geflüchteten minderwertige oder bösartige Menschen seien, die deutsche Frauen vergewaltigen und deutsche Arbeitsplätze wegnehmen, oder andere rechte Klischees dieser Art. Engstirnige Menschen mit mangelnder Bildung nutzen solche Klischees, um alles Böse auf die Fremden zu projizieren und sich ein Gefühl der Höherwertigkeit zu verschaffen.
Die AfD versteht es, aus diesen niederen Impulsen Kapital zu schlagen. Das ist auch nicht schwer, da es sich um simple Mechanismen handelt, die die Sozialwissenschaften gründlich dokumentiert und erforscht haben. Geflüchtete sind normale Menschen und begehen als solche natürlich auch Straftaten. Eine verschwindend geringe Zahl von Personen begeht Terroranschläge, eine Zahl, die so lächerlich klein ist, dass sie niemals etwas über die Gesamtheit aussagen kann. Trotzdem lösen solche Taten entsprechende Affekte aus. Durch verantwortungslose Berichterstattung und die reißerische Verbreitung entsprechender Nachrichten in rechten Medien entsteht eine Wahrnehmung aller Geflüchteten oder Menschen mit Migrationshintergrund als gewalttätig, kriminell oder zumindest verdächtig. AfD-Politiker nutzen das aus, um Hass auf die Geflüchteten zu schüren, mit dem Ziel, unsere Bundesrepublik in ein abgeschottetes, rückwärtsgewandtes, piefiges, von Misstrauen und Hass geprägtes Land zu verwandeln, wie sie es sich wünschen. Wenn Demokraten sich dagegen wehren und ihr Treiben beim Namen nennen, spielen sie das Opfer und klagen, ihnen werde die Meinungsfreiheit verwehrt – die sie selbst an der Macht als erstes abschaffen würden.
Anfang 2020 hätte die AfD es in Thüringen beinahe geschafft, in ein Kooperationsverhältnis mit den etablierten Parteien einzutreten. Das wäre ein bedeutender Schritt auf dem Marsch der neuen Faschisten an die Macht gewesen. Haben die Konservativen denn gar nichts aus der Geschichte gelernt? Jedenfalls hat glücklicherweise die Zivilgesellschaft etwas gelernt, auch viele Journalisten und linke Politiker. Durch ihr starkes Engagement für die Demokratie wurde der Dammbruch gerade noch verhindert. Gleichzeitig geht die Saat des Hasses aber an anderer Stelle auf, die die AfD seit Jahren sät. Bereits im vergangenen Jahr gab es rechtsterroristische Morde und Anschläge, erst vor kurzem wurde eine weitere Terrorzelle aufgedeckt. Und jetzt ein rassistischer Anschlag von einem irren Rechten, der meint, es seien zu viele Ausländer in Deutschland, und der sich den Islam als Feindbild ausgeguckt hat – wie die AfD. Als Anschlagsziel hat er Shisha-Bars gewählt, nachdem die AfD mehrmals in Werbematerialien Shisha-Bars verteufelt hatte. Der Mann hat die Worte und Ideen der AfD in Taten umgesetzt. Wer jetzt noch die AfD verharmlost, dem ist nicht mehr zu helfen. Die AfD ist der parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus. Wir müssen den Rechtsextremismus noch viel konsequenter ausgrenzen und unsere Bemühungen um demokratische Bildung verstärken, um der weiteren Ausbreitung solchen Gedankenguts den Nährboden zu entziehen.
Wird fortgesetzt.
Sarrazin, Tichy und Broder wurden ja von Jakob Augstein in einem Tweet als »Wegbereiter« für das Hanau-Attentat bezeichnet. Gunnar Kaiser vergleicht das auf Youtube mit der Situation zur Zeit des RAF-Terrors, als z.B. Heinrich Böll zum »geistigen Mittäter« erklärt wurde.
https://youtube.com/watch?v=5dMkfVFLn40
Falls du den Kanal nicht kennen solltest: Gunnar Kaiser beschäftigt sich in letzter Zeit sehr viel mit dieser Polarisierung der Gesellschaft, diskutiert dabei sowohl mit Moritz Neumeier als auch mit Martin Sellner.