Das US-amerikanische Wahlforschungsinstitut ANES hat kürzlich Daten aus einer Erhebung von 2020 veröffentlicht. Darin finden sich interessante Informationen über die Sympathien von Weißen, Schwarzen, Asiaten und Hispanics für die jeweils anderen Gruppen und die eigene:
Die Zahlenwerte beziehen sich auf ein sogenanntes Gefühlsthermometer, das von null bis 100 reicht. Die Instruktion für die Teilnehmer dazu:
Bewertungen zwischen 50 und 100 Grad bedeuten, dass Sie der Gruppe positive und warme Gefühle entgegenbringen. Bewertungen zwischen 0 und 50 Grad bedeuten, dass Sie der Gruppe keine positiven Gefühle entgegenbringen und sie nicht besonders mögen. Wählen Sie eine Bewertung der Gruppe auf der 50-Grad-Marke, wenn Sie ihr gegenüber weder besonders warme noch kalte Gefühle hegen.
ANES-Fragebogen 2020, S. 122 ff.
Beruhigend ist zunächst einmal, dass alle Bewertungen über 60 liegen, also mit gewissem Abstand zur neutralen Position im positiven Bereich. Davon abgesehen sind die Unterschiede zwischen den Gruppen groß und, nun ja, interessant:
- Bei den Weißen unterscheiden sich die Bewertungen der verschiedenen ethnischen Gruppen einschließlich der eigenen fast gar nicht. Alle anderen Gruppen zeigen eine deutliche Bevorzugung der Eigengruppe.
- Bei allen nichtweißen Gruppen sind die Weißen die am wenigsten beliebte Gruppe, wenn auch, wie gesagt, immer noch deutlich im positiven Bereich.
- Die Schwarzen bevorzugen die Eigengruppe im Durchschnitt am stärksten und haben am wenigsten Sympathie für Weiße.
- Unter den nichtweißen Gruppen haben Asiaten die größte Sympathie für andere ethnische Gruppen und unterscheiden dabei am wenigsten zwischen diesen.
Ich habe angesichts des auffälligen Ergebnisses der Weißen spekuliert, ob sich bei ihnen vielleicht ein Effekt der sogenannten sozialen Erwünschtheit abbildet, ob sie ihre Antworten also zurechtfrisieren, um nicht schlecht auszusehen. Auch das wäre ein Befund, wenn die Weißen sich als einzige nicht trauen oder im Vergleich zu den anderen weit weniger trauen, ihre Bevorzugung der Eigengruppe zuzugeben.
Aber wenn ein solcher Einfluss am Werk sein sollte, dann erklärt er nicht das ganze Ergebnis, denn die Auskünfte der Weißen sind nicht so monoton, wie obiger Durchschnittswert es erscheinen lässt. Der Doktorand und Datennerd Zach Goldberg hat die Daten weiter aufgeschlüsselt und eine Differenzierung innerhalb der Gruppe der Weißen festgestellt, die niemanden überraschen dürfte. Sie haben durchaus eine Eigengruppenpräferenz, die aber von einer aktiven Abneigung gegen die Eigengruppe im linken Lager ausgeglichen wird:
Diese Darstellung zeigt Differentiale zwischen den Bewertungen von Fremdgruppen und Eigengruppe durch Weiße. Die Zahlenwerte sind Grade auf dem Gefühlsthermometer. Sehr linke Weiße haben für Weiße also um 21,56 Grad kältere Gefühle als für die anderen ethnischen Gruppen. Sogar noch eher mittige Linke mögen Weiße weniger als Schwarze, Asiaten und Hispanics. Selbst sehr konservative Weiße haben für die Gruppe der Weißen nur um 7,68 Grad wärmere Gefühle als für die anderen ethnischen Gruppen. Auch sie haben also eine mit Abstand schwächere Eigengruppenpräferenz als alle anderen Gruppen im Gesamtdurchschnitt.
Thermometerwerte unter 50, also Antipathie gegen Weiße bzw. sich selbst, werden unter Weißen immer häufiger:
Die Proportion ist als Anteil von 1 angegeben. Man kann die Werte also einfach in Prozent umrechnen, so dass die Hochachse hier bis 15 Prozent geht. Demnach haben etwa 11 Prozent der weißen Linken eine Einstellung gegenüber den Weißen, die schlechter als neutral ist. 2010 lag der Anteil noch irgendwo bei 2 oder 3 Prozent.
Hier noch einmal die Entwicklung der Differentiale im Zeitverlauf:
Etwa seit dem Jahr 2010 gehen die Einstellungen der Weißen zu sich selbst deutlich nach unten. Die der Linken fallen in den negativen Bereich; sie mögen also Schwarze, Hispanics und Asiaten lieber als sich selbst (bzw. ihre Nachbarn). Interessant ist hier noch, dass die Werte schon länger abfallen, aber nach 2000 wieder kurz angestiegen sind. Was war da los? Hatte es mit der ersten Political-Correctness-Welle in den 1990ern zu tun? Ich weiß es nicht.
Von Zach Goldberg stammt auch eine hochinteressante Datenstudie über das Vorkommen von Rassismus und insbesondere der Konzepte aus Social Justice und Critical Race Theory in führenden US-amerikanischen Zeitungen. Sie zeigen dieselbe sprunghafte Entwicklung seit 2010.
Das heißt nicht, dass die Medien die Ursache der Entwicklung seien. Journalisten sind auch Kinder ihrer Zeit, und ob sie den Trend erzeugen oder nur mit ihm mitlaufen, geht aus diesen Daten nicht hervor. Klar ist aber, dass sie ihn zumindest mittragen und verstärken.
Die sprunghafte Entwicklung dürfte sich zum Teil einfach daraus erklären, dass die betreffenden Theorien nach langem Gären an den Universitäten eine gewisse Reife als soziales Kampfmittel erreicht und eine kritische Masse von Anhängern herangebildet haben, die inzwischen vom Studium in die Berufstätigkeit übergegangen sind, unter anderem in den Medien.
Mehrheitlich weiße Länder haben in der Vergangenheit rassistische Gräuel begangen, darunter die Sklaverei, den Holocaust und die Kolonialverbrechen. Doch wer die heute lebenden Weißen als Gruppe identifiziert, die sich durch besonderen Rassismus von anderen ethnischen Gruppen abhebe, lebt in einer Fantasiewelt. Die Daten legen eher nahe, dass gerade ihre Abscheu gegen Rassismus und ihre Furcht davor, rassistisch zu sein, sie so empfänglich für Manipulation, Nötigung und Erpressung mit Rassismusvorwürfen macht.
Die intersektionalen Theorien dürften indes keine Schwierigkeiten haben, diesen Befund rhetorisch aufzufangen. Sie haben die weiße Farbenblindheit, die sich in den Antworten abbildet, bereits als Übel identifiziert. Sie diene den Weißen dazu, vor sich und anderen zu verbergen, dass sie Profiteure eines rassistischen Systems seien. Hier die Bundeszentrale für politische Bildung:
Dass die Weißen keinen bzw. weniger einen Unterschied machen, beweist also nach dieser Theorie gerade ihren Rassismus. Wie müsste die Grafik ganz oben aussehen, um mehr den Wünschen der Postmodernisten zu entsprechen? Die Antwort kann nur in der Richtung liegen, in die sich die Werte tatsächlich zuletzt entwickelt haben. Weiße sollen sich selbst (mehr) verachten.
Kaum etwas zeigt die Psychopathie dieser Lehre so klar wie die Annahme, es könne positive Ergebnisse bringen, wenn man Menschen lehrt, sich selbst, nahestehende Mitmenschen und die eigene Kultur zu verachten, während sie auch zu Vertretern anderer Gruppen keine freundschaftlichen Beziehungen pflegen können, weil diese Beziehungen aufgrund desselben ideologischen Programms von Schuld, Distanz und Asymmetrie charakterisiert sind. Isolation und Demütigung als Therapie. Das, versichert man uns, sind die Guten.