Dies ist ein Auszug aus dem Text »Psychologische Hebel der Wokeness«, der in dem Buch »Im Schatten guter Absichten: Die postmoderne Wiederkehr des Rassendenkens« vollständig zu lesen ist.
Sehen wir uns an dieser Stelle kurz genauer an, was an den Ideen der Critical Race Theory für viele naive Rezipienten so ungemein überzeugend zu sein scheint. Es ist auffällig, wie selbstbewusst die Theorie mit dem Anspruch auftritt, die einzig wahre und richtige Antwort auf Rassismus zu bieten, ohne diesen Anspruch schlüssig zu begründen (»thinking past the sale«), und wie mühelos sie damit durchkommt. Wenn Leitmedien das Thema aufgreifen, übernehmen sie dabei immer wieder Robin DiAngelos predigenden »Ich verkünde die Wahrheit und wer widerspricht, ist dumm oder charakterlich defizitär«-Tonfall, als wäre es das Natürlichste von der Welt (Beispiel). Kritische Gedanken kommen nicht vor. Kommentatoren mit anderen Sichtweisen in den sozialen Medien werden zurechtgewiesen, als könnte gar keinen Zweifel daran sein, dass es nur exakt eine richtige Sichtweise gebe, und zwar diese (Beispiel – ein Stück runterscrollen). Wie die betreffenden Journalisten so schnell von »Robin DiAngelo behauptet« zu »Das ist die unumstößliche Wahrheit« gelangen, bleibt unklar. Es ist, als ob ein paar Absätze fehlten, in denen dargelegt wurde, warum sie diesen Schluss ziehen und warum andere Perspektiven auf das Problem, die seit Jahrzehnten von Wissenschaftlern, Intellektuellen und Behörden erarbeitet werden, nicht nur falsch, sondern überhaupt keine Erwähnung wert seien – ebenso wie die Sichtweisen von Millionen Schwarzen, die nicht das sagen, was die Theorie ihnen in den Mund legt.
Die Behauptungen der Theorie sind an der Oberfläche (für eine bestimmte linksliberale, akademisch geprägte, städtische, sinnsuchende, progressive Klientel) so einleuchtend und attraktiv, dass es zu einer Reflexion der tieferen Schichten gar nicht erst kommt. Diese Reflexion wäre aber nötig, um zu verstehen, dass die Theorie ihre großen, befriedigenden Versprechungen nicht einhalten kann. Was macht sie an der Oberfläche so einleuchtend und attraktiv?
Es sind meines Erachtens im Wesentlichen zwei Punkte, die auch den Kern der Theorie ausmachen. Der erste ist die These, dass alles auf Rassismus gebaut und von ihm durchdrungen sei; der zweite die Idee, mit einer Art Selbsttherapie dagegen vorzugehen.
Punkt eins. Jeder weiß, dass Rassismus in der Geschichte eine mächtige zerstörerische Kraft war. Seine größten Exzesse sind uns allen bewusst – der Kolonialismus, die Sklaverei und der nationalsozialistische Holocaust. Außerdem hat jeder vor Augen, dass die weißen Bevölkerungsmehrheiten in westlichen Ländern ökonomisch und sozial besser dastehen als nichtweiße Minderheiten und diese Länder auch als Ganze besser dastehen als viele Länder mit nichtweißen Bevölkerungsmehrheiten. Es drängt sich assoziativ auf, dies als Fortschreibung rassistischer Politik in die Gegenwart hinein zu deuten. Dies ergibt sofort ein schlüssiges Gut-und-böse-Narrativ, dessen Klarheit eine unübersichtliche Welt ordnet und so eine Linderung von Gefühlen der Beunruhigung und Schuld bewirkt. Umso befriedigender ist diese Deutung, wenn man sich selbst – scheinbar gegen die eigenen Interessen, also selbstlos – als Kämpfer für historische Gerechtigkeit positioniert. »Es ist schlimm, aber ich habe (oder bin) die Lösung.« Wer in einem Ozean des Rassismus Antirassist ist, überstrahlt die überwältigende Mehrheit seiner Mitmenschen.
Eine ernsthafte Analyse sozialer Ungleichheit müsste immer wieder komplexe Verflechtungen vielfältiger Faktoren aufschlüsseln (wirtschaftlicher, historischer, kultureller, psychologischer, politischer …), was ein anspruchsvolles Unterfangen wäre, das deutlich weniger Klarheit und Befriedigung stiftete. Man müsste geduldig recherchieren, Bücher und Zahlen wälzen, Fakten pauken und sich an Komplexitäten und Lösungshindernissen die Zähne ausbeißen, auf die man umso häufiger stieße, je näher man hinsähe.
Erkenntnisse über kulturelle Probleme innerhalb der schwarzen Communitys in den USA beispielsweise, die einer Besserung von deren Lage entgegenstehen, liegen seit Jahrzehnten auf dem Tisch. Für muslimische Minderheiten in Europa gilt Ähnliches. Die überdurchschnittlichen Einkommen von Juden und Ostasiaten in westlichen Ländern fügen sich nicht in das Bild weiß-rassistischer Gesellschaften, die darauf ausgelegt sind, Weiße zu begünstigen, ebenso wenig wie die Tatsache, dass in den USA inzwischen anteilig mehr lateinamerikanische und schwarze Frauen studieren als weiße Männer. Die frühen Amerikaner haben ihre Sklaven in Afrika nicht aus einer Idylle entführt, sondern von dortigen Sklavenhändlern gekauft. Sklaverei gab es die ganze Geschichte hindurch, auch Europäer waren Opfer davon, und die Europäer und Amerikaner haben sie in ihrer Einflusssphäre aus eigenem Antrieb wieder abgeschafft. Rund eine Million Amerikaner haben im Bürgerkrieg dafür ihr Leben gegeben. Der Universalismus, der den Maßstab bildet, an dem gemessen die westlichen Gesellschaften rassistisch sein und ihren Anspruch auf Selbstbehauptung verwirkt haben sollen, ist selbst ein Produkt dieser Gesellschaften. Die westliche Kultur, auch als weiß-suprematistisches kapitalistisches Patriarchat bekannt, beschert den Frauen die sozial und rechtlich beste Stellung der Geschichte und bewirkt über die letzten Jahrzehnte global einen rasanten Rückgang der absoluten Armut und eine Verbesserung der Lebensqualität, gemessen an Indikatoren wie Lebenserwartung, Alphabetisierung, durchschnittlichen Bildungsjahren, Anschluss an Elektrizitätsnetze und anderen.
Geschichte ist kompliziert, Menschen sind kompliziert und Blutvergießen gab es überall. Dass die genannten Verbrechen des Westens in ihrer Größenordnung herausstechen, bedeutet weder, dass er an allem schuld sei, was schlecht ist, noch dass sein ganzer Erfolg auf diesen Verbrechen beruhe. Dies sind gedankliche Kurzschlüsse des Ordnung stiftenden Gut-und-böse- und Täter-Opfer-Denkens. Das Narrativ des Westens als historischer Weltschurke lässt sich nur durch selektive Wahrnehmung aufrechterhalten; durch einseitige Konzentration auf das Schlechte am Westen und Unterschlagung des Schlechten bei anderen, sofern man nicht wieder den Westen dafür verantwortlich machen kann.
Diese Komplexitätsflucht ist charakteristisch für die neue Linke mit ihrem postmodernistischen Fokus auf Sprache und Symbolik. Sie macht es sich psychologisch unnötig schwer, indem sie das eigene Leiden an der Welt maximiert, aber intellektuell ist sie weitgehend anspruchslos und macht es sich leicht – was man wohl als Komplementärerscheinung der heutigen massenhaften Verbreitung dieses Denkens sehen kann. Sie ignoriert jede politische, wirtschaftliche, soziologische und psychologische Komplexität und verfolgt anstelle einer ernsthaften Gesellschaftsanalyse zwei simplistische Strategien, die jeder Idiot verstehen und anwenden kann: Erstens das Ausmerzen der Niederschläge von Ungleichheit in Sprache und anderen Symbolen in dem Glauben, dass, da Sprache Wirklichkeit konstituiere, die Reform der Sprache auf lange Sicht irgendwie die Ungleichheit in der Realität nivellieren werde. Zweitens die Herstellung von Ergebnisgleichheit zwischen Identitätsgruppen auf Basis des Dogmas, dass jede Ergebnisungleichheit Folge eines ‑ismus und somit illegitim sei. Praktisch bedeutet das die Einführung formeller und informeller Quoten, soweit die bestehende soziale Wirklichkeit es zulässt, und die Umverteilung von Ressourcen zu Gruppen, die von den Aktivisten als benachteiligt eingestuft werden, vor allem aber zu den Aktivisten selbst. Sie sind schließlich die Einzigen, die diesen theoretisch informierten Kampf gegen die Ungleichheit führen können. Je mehr sie über den nötigen Einfluss verfügen, diese Umverteilung zur Herstellung von Ergebnisgleichheit tatsächlich durchzuführen, desto mehr nimmt das Ganze den Charakter einer neuen Spielart von kommunistischer Revolution an.
Der erste einleuchtende Hauptpunkt der Theorie ist also, dass sich der Westen bis heute als Unterdrücker und Ausbeuter des Rests der Welt betätige. Das deckt sich oberflächlich betrachtet mit unserer Wahrnehmung, schafft moralisch Ordnung und tröstet unser Schuldgefühl. »Ja, ich bin schuldig, aber ich sehe es ein und will es ändern, ich bin nicht so wie die, die ohne Reue so weitermachen wollen.« Wer diesem Weltbild widerspricht, erweckt sofort den Eindruck, für die historischen Weltschurken statt für die Opfer Partei zu ergreifen. Auch ohne expliziten Appell oder Vorwurf erzeugt das Bild einen mächtigen Sog, sich in bestimmter Weise zu positionieren. Es ist viel leichter und dankbarer, sich schuldig zu bekennen, als die Schuld zu bestreiten, weil es die ungleich edlere moralische Haltung zu sein scheint und keinerlei unmittelbare negative Folgen für den sich schuldig Bekennenden hat.
Das führt uns zum zweiten Punkt. Dies ist der sozusagen psychotherapeutische Aspekt. Der »Antirassismus« meidet wie oben beschrieben die Auseinandersetzung mit Komplexität und gibt einem darüber hinaus eine klare Strategie zur Änderung der Verhältnisse an die Hand: Fang bei dir selbst an! Das ist soweit eine hervorragende Idee. Es ist zweifellos sinnvoll, sich einmal in Ruhe zu fragen, ob man Vorurteile hegt, ob man Menschen bestimmter Gruppen abwertet, sie ungerecht behandelt, ihnen gegenüber weniger freundlich ist oder Ähnliches. Wenn das der Fall ist und man es sich bewusst gemacht hat, kann man an dieser Einstellung arbeiten und sie überwinden.
Dieses Prinzip, das man »Überwindung durch Bewusstmachung« nennen könnte, leuchtet unmittelbar ein, weil wir es in vielen Variationen ständig anwenden: in der Psychotherapie, in der Meditation, beim Tagebuchschreiben, in persönlichen Gesprächen und in dem ganz alltäglichen Bemühen, Probleme zu lösen, die ganz oder teilweise innere, also psychische oder intellektuelle sind.
Entscheidend ist hier aber der feine Unterschied zwischen einem vernünftigen Maß an ehrlicher Selbstreflexion und einer lebenslang eskalierenden Obsession, die den Schluss, dass man nicht rassistisch sei oder die Sache für sich geklärt habe, gar nicht zulässt. Wie andere Sekten oder auch Süchte bietet die Critical Race Theory nur eine Scheinlösung des Problems, an dem sie ansetzt, vergrößert es aber vielmehr und brockt den Betroffenen weitere Probleme ein. Wäre diese Theorie ein Psychotherapeut, würde der etwa so arbeiten:
Patient: »Ich habe Angst vor Arbeitslosigkeit und kann nicht gut schlafen.«
Therapeut: »Sie müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass Sie als Kind missbraucht worden sind.«
Patient: »Oh. Also, das glaube ich nicht. Ich habe keine derartigen Erinnerungen und sehe meine Kindheit eigentlich als wohlbehütet.«
Therapeut: »Dass Sie Ihre Missbrauchserfahrungen so energisch leugnen, zeigt uns, wie schmerzhaft sie für Sie sind. Sie müssen sich dem stellen. Wenn Sie es nicht tun, werden Sie immer wieder selbst andere Menschen missbrauchen, ohne dass Sie es merken.«
Patient: »Oh, das ist ja schrecklich.«
Therapeut: »Ja, und wenn Sie damit aufhören wollen, müssen Sie sich erst einmal voll bewusst machen, dass Sie es tun. Versuchen Sie rund um die Uhr in jeder Situation zu verstehen, dass und wie Ihre ganze Interaktion mit der Welt von Ihren Missbrauchserfahrungen überschattet und geprägt ist und wie Sie selbst permanent in unzähligen Formen Missbrauch an anderen begehen. Dazu gehört auch, sichtbar zu machen und anzuklagen, wie andere Menschen ständig Missbrauch aneinander begehen. Das bedeutet viel Arbeit und wird oft unangenehm sein. Ihr Leben wird ein anderes sein. Sie werden Freunde verlieren.«
Patient: »Und wie lange dauert das ungefähr? Wann geht es mir wieder besser?«
Therapeut: »Wir leben in einem System, das auf Missbrauch gebaut und überall von Missbrauch durchdrungen ist, von sämtlichen Institutionen bis in unsere tiefste Seele hinein. Ihre Auseinandersetzung damit wird nie abgeschlossen sein. Wir müssen das ganze System des Missbrauchs zu Fall bringen.«
Patient: »Oh. In was für einem Zeitrahmen könnte das gelingen? Und woher wissen wir, dass die Verhältnisse besser und nicht schlechter werden, wenn wir das System zu Fall bringen?«
Therapeut: »Wir müssen das Missbrauchssystem zu Fall bringen, damit die Menschen frei sein können.«
Diese Analogie ist insofern schief, als der »Antirassismus« seine weißen Patienten primär als Täter charakterisiert, nicht als Opfer (obwohl Robin DiAngelo und Kollegin in einem Paper von 2013 tatsächlich behaupten, dass es Kindesmissbrauch sei, »ein weißes Kind zum Weißsein zu erziehen«.). Dennoch verdeutlicht sie, wie schnell und wie weit sich der »Antirassismus« von dem psychotherapeutischen Prinzip entfernt, das ihm oberflächlich betrachtet Plausibilität verleiht. Er ist ihm diametral entgegengesetzt.
Erstens orientiert er sich nicht an den Interessen und Bedürfnissen des Patienten. Diese sind ihm vollkommen gleichgültig. Er unterstellt allen Patienten stereotyp das gleiche Problem und interessiert sich nicht dafür, ob ihre seelische Gesundheit und Lebenszufriedenheit durch die Behandlung besser oder schlechter wird.
Zweitens konzeptualisiert er das Problem so, dass eine Lösung unmöglich wird, und lässt es ins Unendliche wachsen.
Die Critical Race Theory verlangt vom Patienten, durch Introspektion, Selbstkritik und Verhaltensänderungen an einem Problem zu arbeiten, von dem sie selbst sagt, dass es in einem weltumspannenden, alles durchdringenden »System« wurzele. Er soll es in sich selbst finden und bearbeiten, aber er kann es unmöglich in sich selbst lösen, da es »systemisch« ist. Eine Lösung verspricht erst die Revolution, die den Fluchtpunkt dieses Denkens bildet, auch wenn es nicht immer ausgesprochen wird. Diese Revolution ist aber so diffus und weit weg, dass sie etwa einer religiösen Vorstellung vom Tag des Jüngsten Gerichts entspricht. Bis zu dieser vage irgendwann erwarteten Revolution kann das Problem des Patienten nur größer werden, nicht kleiner.
Nun liegt der Einwand nahe, es gehe ja auch nicht darum, dass der Patient glücklicher werden solle, sondern darum, das Leid der Unterdrückten zu mindern und die Unterdrückung zu beenden. Doch wer sich in dieser Weise in ein Glaubenssystem hineinsteigert, das seine Verletzlichkeit und Schuldgefühle vervielfältigt und ihn überall nur noch Böses sehen lässt, kann keine positive Kraft in der Welt sein. Vor allem kann er nicht mehr unbefangen mit Menschen anderer Herkunft oder Abstammung interagieren, nachdem er sich eingeredet hat, dass er deren Peiniger und für all ihr Unglück verantwortlich sei.
Aus vielen sozialpsychologischen Studien ist die natürliche menschliche Neigung bekannt, sich in Gruppen gegen andere Gruppen zu verbünden. Eine solche Gruppenidentität kann sich um fast beliebige Merkmale herum formieren, und dazu genügen geringste Anlässe. Beispielsweise bringt die willkürliche Aufteilung einer Schulklasse in zwei Mannschaften für den Sportunterricht sofort entsprechendes Gruppenloyalitätsverhalten hervor.
Auch ethnische Merkmale wie Hautfarben können Marker einer Gruppenzugehörigkeit sein. Sie sind es aber nicht zwingend. Wo sie es sind, sind sie es nicht aus eigener Kraft, sondern fungieren als Erkennungszeichen einer Gruppenzugehörigkeit, die historisch, kulturell, sozial, wirtschaftlich, politisch oder religiös begründet ist. Wo solche sozialen Trennlinien und Konflikte zwischen Gruppen in den Hintergrund treten oder gar nicht mehr vorhanden sind, können wir Menschen mit abweichender Pigmentierung oder Physiognomie mühelos als Angehörige des eigenen »Teams« wahrnehmen.
In dieser Situation liegt es an uns, diese Merkmale zu Markern von Gruppenzugehörigkeit zu machen oder nicht, beziehungsweise sie in dieser Funktion zu bestärken oder nicht. Je mehr wir sie darin bestärken, desto salienter, sichtbarer, allgegenwärtiger werden die Gruppengrenzen und desto mehr werden wir zu einer ethnisch segregierten Gesellschaft. Theorievertreter würden sagen: »Aber das sind wir ja schon, du leugnest es nur und bewirkst damit, dass es so bleibt!« Ich leugne es nicht – es ist keine Frage des Ja oder Nein, sondern eine des Mehr oder Weniger. Wir sind es in gewissem Umfang und in manchen Milieus mehr als in anderen. Liberale humanistische Prinzipien haben die ethnisch bedingten Gruppengrenzen immerhin teilweise aufgelöst. Man kann darüber streiten, wie weit sie das haben. Dieser Streit wird aber wenig an dem springenden Punkt ändern, dass identitäre Theorien wie diese die Segregation verstärken und nicht abschwächen.
Unsere einzige Chance, Rassismus zu überwinden, besteht darin, einander als Menschen wahrzunehmen und auf dieser Basis miteinander zu kommunizieren. Das heißt nicht, dass man Unterschiede leugnen oder sich ihnen gegenüber blind stellen müsse. Es heißt, die gemeinsame Essenz des Menschseins im anderen wahrzunehmen und Kommunikation und Zusammenleben auf dieser Gemeinsamkeit aufzubauen. (Die Autorin und Unternehmerin Chloé Valdary bietet unter dem Namen »Theory of Enchantment« in ausdrücklicher Abgrenzung von der Critical Race Theory ein alternatives Antirassismus- und Diversity-Training an, das diesen Ansatz verfolgt.) Die Critical Race Theory hält dies für ein falsches Ziel, hat keinen Begriff und keinen theoretischen Ort für diese Essenz und richtet den Fokus auf alles, was uns unterscheidet und entzweit.
Das alles kann man kaum sehen, wenn man mit der Theorie nicht vertraut ist. Man hört zunächst nur, dass die soziale Welt rassistisch strukturiert sei, was insofern plausibel ist, als es tatsächlich Rassismus und soziale Ungleichheiten gibt, die sich mit ethnischen Gruppen und Differenzen mehr oder weniger decken. Und man hört, dass man bei sich selbst anfangen solle, was tatsächlich eine gute Idee ist. Doch sobald man sich darauf einlässt, verschieben sich die Koordinaten und beginnt sich die Wahrnehmung der Welt in eine ganz andere zu verformen. Die gesellschaftliche Wirklichkeit erscheint nicht mehr nur als problembehaftet, sondern als durch und durch dystopisch, und die Selbsttherapie lässt die Probleme wachsen statt schrumpfen, während die Möglichkeit einer Lösung in immer weitere Ferne rückt.
Dies ist ein Auszug aus dem Text »Psychologische Hebel der Wokeness«, der in dem Buch »Im Schatten guter Absichten: Die postmoderne Wiederkehr des Rassendenkens« vollständig zu lesen ist.